Die zweite Synagoge

Der Grundstückplan zeigt die zweite Synagoge und das Gemeindehaus (beide rot) in der Glockengasse.

 

Knapp 100 Jahre nach dem Bau der ersten Synagoge wurde 1882 ein Neubau beantragt. Die Jüdische Gemeinde war inzwischen größer geworden. Die erste Synagoge wurde abgerissen. Die Gottesdienste fanden vermutlich in einem Ausweichgebäude statt. Am 13. Februar 1884 wurde der Grundstein für die neue Synagoge auf dem alten Platz gelegt. Der Bau dauerte 18 Monate. Am 28. August 1885 war die feierliche Einweihung in der Glockengasse 12. Die Frankenthaler Zeitung schrieb am nächsten Tag, die Einweihung habe unter "reger Anteilnahme der Frankenthaler Bevölkerung" stattgefunden.

 

Ein Luftbild von der Innenstadt zeigt die neue Synagoge links in der Mitte. Quer durch das Bild führt die Bahnhofstraße. Im Hintergrund sind die christlichen Kirchen zu sehen.

Diese zweite Synago- ge lag auf einem Grundstück von 624 Quadratmetern und war mit Vorraum zirka 305 Quadratmeter groß. Sie hatte 200 Männersitze im Erdgeschoss und 110 Frauensitze auf der Empore. Da sie eine Orgel besaß, muss es sich in Frankenthal um eine liberale jüdische Gemeinde gehandelt haben, wie die meisten Gemeinden in Deutsch-land vor dem Krieg.



In den wenigen Unterlagen, die vorhanden sind, kann man einige Details über die Gestaltung der Synagoge finden. Sie war innen mit farbigen Glasfenstern ausge- stattet und hatte eine Kuppel, die auf blauem Hintergrund mit goldenen Sternen ausgemalt war. Sie besaß die üblichen liturgischen Einrichtungen wie Thorarollen, eine sogenannte "Ewige Lampe", vier Altarleuchten und zwei Trauhimmel für die Hochzeitsfeiern. Moritz und Clementine Neuberger haben bei der Einweihung der Synagoge zwei wertvolle Kronleuchter und sämtliche Beleuchtungsgegenstände im Betrage von Mark 2.500 gespendet. Weiteres ist über die Einrichtung nicht bekannt.

 

Daneben besaß die Gemeinde in der Glockengasse 10 ein Wohnhaus als Gemeindezentrum von 190 Quadratmetern Fläche. Hier lebten der Gemeindediener und der Kantor. Dieses sogenannte Bethaus bestand wahrscheinlich aus zwei hintereinander liegenden Häusern mit Hof und Garten und lag rechts neben der Synagoge.

 

Im hinteren Anbau wurden im Erdgeschoss Unterlagen der Gemeinde eingelagert (Archiv), im oberen Stock gab es ein kleines "Betsälchen" mit einem kleinen Thora-Schrein, in dem man auch Gottesdienste abhalten konnte. Es diente zugleich dem Jüdischen Jugendverein und dem Jüdischen Frauenverein als Sitzungssaal. Ebenso wurden hier die Sitzungen des Synagogenvorstandes abgehalten.

 

Die Jüdische Gemeinde Frankenthals hatte keinen festen Rabbiner. Für den gesamten sogenannten Rabbinatsbezirk Frankenthal mit Sitz in Bad Dürkheim gab es nur einen Rabbiner, der die einzelnen Jüdischen Gemeinden abwechselnd besuchte. In Frankenthal war der Kantor, der zugleich auch Lehrer war, der wichtigste Mann für das religiöse Leben.

 

Die jüdischen Gemeindebeamten wurden von der Stadt bezahlt. Der Unterhalt der Synagoge wurde durch die Einnahmen der Beter und Spender gewährleistet, wozu im Herbst jeden Jahres die Plätze für ein Jahr verkauft wurden, auch damit jeder seinen festen Platz hatte.

 

Gemeindezentrum gespendet

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. Januar 1895.

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. Januar 1895:

 

Worms. In der benachbarten Religionsgemeinde Frankenthal, welche durch die Eintracht ihrer Mitglieder, wie durch ihre Opferwilligkeit auch in weiteren Kreisen bekannt sein dürfte, haben im vergangenen Jahre Herr Moritz Neuberger und seine Frau Clementine Neuberger geb. Neter zum Besten der Gemeinde neben der Synagoge ein Haus gestiftet, das den verschiedenen kulturellen Zwecken dienen soll. In einem daselbst herrlich eingerichteten Saale sollen insbesondere die Sitzungen für die Verwaltung, für den Armen-Kranken und Frauenverein stattfinden, auch soll derselbe bei kalter Witterung als Betsaal benutzt werden.

 

Bei der Einweihung, die vor kurzem bei zahlreicher Beteiligung in feierlicher Weise vollzogen wurde, hob der Religionslehrer und Kantor Herr Singer, der vor mehreren Jahren gelegentlich seines 70. Geburtstages ausgezeichnet wurde und heute noch - mit Gottes Hilfe - in körperlicher und geistiger Frische seines Amtes waltet, rühmlich hervor, dass die fromme Spende den edlen Stiftern zum ehrenden Andenken für ewige Zeiten gereichen und für die Religionsgemeinde in der Kultusübung als stete Zierde walten möge, zu welchem Zwecke auch in dankbarer Anerkennung eine Ehrentafel im Saale angebracht wurde. Zu beklagen ist, dass die edle Stifterin schon so bald darauf in das Reich der Seligen einzog.

 

Bei dieser Gelegenheit wollen wir noch bemerken, dass es ebenfalls die Moritz Neuberger'schen Eheleute waren, die bei der Einweihung der dortigen Synagoge zwei wertvolle Kronleuchter und sämtliche Beleuchtungsgegenstände im Betrage von Mark 2.500 gespendet haben.