Familie Aron Weil

Anzeige von 1875

Aron Weil, geboren am 21. September 1834 in dem damals noch selbstständigen Eppstein, heiratete am 6. Mai 1862 in Heuchelheim Sara Lorch, die dort am 25. Dezember 1833 zur Welt gekommen war. Nach der Hochzeit eröffnete Aron Weil in Frankenthal ein Trödelgeschäft und wohnte mit seiner Ehefrau in der Welschgasse bei dem Schreiner Biffar. Am 27. November 1863 kam in Frankenthal das erste Kind, die Tochter Anna, zur Welt. Ihr folgten noch neun weitere Geschwister. Nur für eine kurze Zeit wohnte die Familie Aron Weil in der Welschgasse. Bereits in der „Frankenthaler Woche“ vom 3. März 1864 teilte er mit, …dass die bisherige Wohnung bei Schreinermeister Biffar verlassen wurde und man nun in der Mühlgasse bei Herrn Metzger und Wirth Fleischbein wohne.

Anzeige von 1875 in der Frankenthaler Zeitung

1875 befand sich das Trödlergeschäft in der Rheingasse (heute: Rheinstraße). Aron Weil betätigte sich 1885 auch als Immobilienmakler. In der Frankenthaler Zeitung vom 22. Oktober 1885 wird mitgeteilt, dass „durch die Vermittlung des Herrn Aaron Weil die Gebhardt’sche Mälzerei in der Amalienstraße (heute: Erzbergerstraße) um den Preis von 19.500 Mark an Herrn Thomy verkauft wurde.“

 

Ab dem 1. September 1892 führte Aron Weil „sein Herren- und Knaben-Kleider-Geschäft sowie ein Schuh- und Stiefel-Lager“ in der Wormserstrasse 5, „das älteste Kleider- und Schuhgeschäft am Platze“, so eine Anzeige in der Frankenthaler Zeitung vom 28. Juni 1897.

Anzeige von 1898

Die Frankenthaler Zeitung teilte ihren Lesern am 25. November 1898 mit, dass „die Firma A. Weil das Haus der Firma Neuberger Söhne, Speiererstraße um 65.000 Mark kaufte.“

 

Das Möbel- und Bettengeschäft, das sich bisher in der Rheinstraße 5 und 7 befand, wurde nun in die Speiererstraße 4 verlegt.

 

Am 5. Juni 1901 blieben beide Geschäfte geschlossen. Man feierte die Hochzeit des am 9. Februar 1868 in Frankenthal geborenen Sohnes Jakob. Zwei Tage zuvor hatte er in Zweibrücken die dort am 17. Mai 1877 geborene Amalie Kahn geheiratet.

Anzeige vom 3. März 1898

Am 23. November 1898 wurde die Firma Aron Weil in das Gesellschaftsregister beim Amtsgericht Ludwigshafen am Rhein eingetragen. Aus dem Einzelunternehmen war eine offene Handelsgesellschaft geworden, nachdem die Söhne Jakob und Josef Weil als Gesellschafter eingetreten waren. Aron Weil war stets bemüht, die Wünsche seiner Kunden zufrieden zu stellen. Um die bei ihm gekauften Möbel frei Haus liefern zu können, schaffte das Unternehmen 1902 ein eigenes Fuhrwerk an. Das Familienglück wurde jäh unterbrochen, als am 11. Dezember 1902 in Frankenthal die Ehefrau und Mutter verschied. Daraufhin verkaufte Aron Weil das in der Rheinstraße gelegene Wohnhaus um den Preis von 10.000 Mark an die Hebamme Bowitz.

 

 

Möbelgeschäft in der Speierer Straße 4, Anzeige von 1911

Üblich war es, in den Schaufenstern der Geschäfte von Aron Weil die von Vereinen errungenen Trophäen auszustellen. Dies wurde in der Tagespresse immer angekündigt. Als der Turnverein sein 50-jähriges Bestehen feierte, wurden die Schaufenster des Schuh- und Bekleidungsgeschäftes in der Wormser Straße 5 geschmackvoll dekoriert. Die Radfahrer-Vereinigung von 1897 präsentierte den 1900 bei einem Preisfahren errungenen Ehrenpreis der Stadt Pforzheim. Ebenso wurde der von Sr. Kgl. Hoheit, Prinz Heinrich von Preußen, geschossene und von Herrn Unser präparierte Fasan der Frankenthaler Bevölkerung gezeigt.

Grabmal von Aron Weil und seiner Ehefrau Sara auf dem alten Jüdischen Friedhof von Frankenthal

Am 24. Februar 1908 verschied in Frankenthal Aron Weil. Die beiden Brüder und Gesellschafter Jakob und Josef Weil setzten mit Zustimmung der Erben die Gesellschaft fort. Am 15. Februar 1911 trat Viktor Weil als weiterer Gesellschafter in die offene Handelsgesellschaft ein.

 

 

  

Die Brüder Josef, Jakob und Viktor Weil

Josef Weil, geboren am 3. August 1873 in Frankenthal, heiratete am 28. Oktober 1908 in Kirchheimbolanden Elisabeth Schwarz, die dort am 27. Juli 1886 das Licht der Welt erblickt hatte. Sein Bruder Viktor, geboren am 1. Dezember 1871 in Frankenthal, ehelichte am 18. April 1911 in Lörrach Emma Weil, die in dieser Stadt am 18. Dezember 1880 zur Welt gekommen war.

Anzeige von 1917 über die Inventur des Möbelgeschäfts

Als im Möbellager im Juni 1909 ein großes Schadenfeuer ausgebrochen war, das nur mit Hilfe der städtischen Feuerwehr und der  Zuckerfabrik- Feuerwehr gelöscht werden konnte, bedankte man sich in einer Anzeige für die tatkräftige Hilfe und verlegte das Möbellager vorläufig in die Ludwigstraße 7 (heute: August-Bebel-Straße).

 

Bei der Rückkehr in die Speiererstraße 4 wurde am 30. August 1912 eine große Ausstellung eröffnet.

 

Am 14. Juni 1913 feierte man das Fest des 50-jährigen Geschäftsbestehens. Es wurde die Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass sich bei der „unermüdlichen Tätigkeit der Inhaber, sich der Ruf des Geschäfts weiter festigen wird.“ Die Arbeiter und Angestellten der Gesellschaft wurden zu einem gemütlichen Beisammensein im Brauhauskeller eingeladen.

 

In der Zeit des 1. Weltkrieges nahmen die drei Gesellschafter Jakob, Josef und Viktor Weil intern eine Geschäftsaufteilung vor. Während Jakob für das Schuh- und Bekleidungsgeschäft verantwortlich wurde, übernahmen Josef und Viktor Weil das Möbelgeschäft. Jakob Weil wurde zum führenden Repräsentanten der Vereinigung pfälzischen Schuhwarenhändler, die er ab 1916 über mehrere Jahre leitete.

Ankündigung der General-Versammlung des Verein Pfälzer Schuhwarenhändler

Jakob Weils drei Kinder wurden in Frankenthal geboren: seine Tochter Johanna Martha am 14. Mai 1902; ihr folgten die Söhne Richard Simon, geboren am 8. Oktober 1904 und Ernst Leopold, genannt Poldi, am 29. August 1916.

 

Kurz nach dem Tode des jüdischen Kaufmannes Julius Nathan kaufte die Firma A. Weil im Dezember 1915 dessen Anwesen in der Wormser Straße 8. Zu Beginn des Jahres 1926 erwarb man die Erste Frankenthaler Schulbankfabrik A. Lickroth u. Cie., die unter der bisherigen Firma mit dem Zusatz Inhaber A. Weil fortgeführt wurde. Bei der Ausstellung „Gesolei“ wurde sie mit der silbernen Medaille ausgezeichnet, die auch der Möbelfabrikation der Firma A. Weil zugesprochen wurde.

 

Das Grab von Fritzl Weil, links ein Teil des Grabmals seines Vaters Josef. Die beiden Gräber liegen nebeneinander im Mittelblock des neuen Jüdischen Friedhof.

Die drei Kinder von Josef Weil kamen alle in Frankenthal zur Welt. Die Töchter Anna Lise Sara Amalie am 18. Oktober 1910 und Gertrude am 12. Juni 1914. Der Sohn Friedrich Alfred Heinrich, Fritzl genannt, wurde am 4. August 1918 geboren und verstarb in seiner Geburtsstadt im Alter von vier Jahren am 14. Mai 1923.

Anzeige links unten: Am 19. Oktober 1918, kurz nach der Geburt des Sohnes Fritzl, sucht Josef Weils Ehefrau ein Dienstmädchen. Rechts eine Anzeige des Möbelgeschäfts von Julius Araham.

                                    

 

Geburtsanzeige in der Frankenthaler Zeitung

Viktor Weils Sohn Erich Adolf wurde am 25. Juli 1915 in Frankenthal geboren.

 

Als die selbstständigen Handwerker, der Handel und das Gewerbe der Auffassung waren, dass ihre Interessen im Stadtrat nicht angemessen vertreten würden, reichten diese zur Stadtratswahl 1920 eine eigene Vorschlagsliste ein. Jakob Weil stand auf ihr an zweiter Stelle. Bei der Stadtratswahl am 18. April 1920 wurde Jakob Weil in den Stadtrat gewählt und gehörte diesem bis 1929 an.

 

Zu seinem 60. Geburtstag schrieb die Frankenthaler Zeitung am 7. Februar 1928: „Er ist ein sehr rühriges und kenntnisreiches Mitglied des Stadtrates, und sein Rat wird hoch geschätzt… Möge es ihm vergönnt sein, noch recht lange in Gesundheit und Frische für das öffentliche Wohl zu wirken!“

 

Seine Ehefrau Emma war bereits am 13. Februar 1926 im Alter von 48 Jahren verstorben.

Das Bekleidungsgeschäft A. Weil in der Wormser Straße

Das Geschäft für Schuhe und Bekleidung in der Wormser Straße 5 wurde 1929 vollständig renoviert.

 

Auf der Modeschau in der Turnhalle am Foltzring, die am 11. März 1929 stattfand, nahmen die Abteilungen Möbel und Schuhwaren der Firma Aron Weil teil.

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Die Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 ließ die Entwicklung der Firma Aron Weil und das Leben ihrer Gesellschafter nicht unberührt. Aber damals wollte niemand glauben, was noch alles kommen würde. Bereits am 28. März 1933 wurden Flugblätter gegen die jüdischen Geschäfte und Warenhäuser in der Stadt Frankenthal verteilt. Am 1. April 1933 fand der Boykott der jüdischen Geschäfte statt, wovon auch die Geschäfte der Firma Aron Weil in der Wormser und Speyerer Straße betroffen waren. Am 17. August 1935 berichtete die Frankenthaler Zeitung, dass Josef Weil in Schutzhaft genommen wurde, da sein Verhalten „in der Öffentlichkeit großes Ärgernis erregte.“

 

Das Möbelgeschäft in der Speyerer Straße 4 wurde durch den Kaufmann J. W. Steyr aus Frankfurt am Main übernommen. Die Frankenthaler Zeitung vom 1. Februar 1936 meldete dies unter der Überschrift „Neues arisches Möbelhaus“, während das Schuhgeschäft in der Wormser Straße 5 im Herbst 1936 auf Elise Holzhäuser überging.

 

Die Grundstücke, die der Firma Aron Weil gehörten, wurden durch Zwangsversteigerung veräußert. Das Grundstück Wormser Straße 8, in dem zuerst die Firma Leonhard Tietz und dann der Kaufhof untergebracht war, erwarb die Bayerische Hypothek- und Wechselbank. Das Grundstück Speyerer Straße 4 wurde dem Kaufmann Emil Helbig zugeschlagen, der dort ein Radio- und Fernsehgeschäft mit einer Reparaturwerkstatt einrichtete. Das Anwesen Eisenbahnstraße 20 erwarb die Baugesellschaft Frankenthal. Die Erste Frankenthaler Schulbankfabrik A. Lickroth u. Cie., Inh. A. Weil, ging mit Wirkung vom 30. Mai 1938, jedoch unter Ausschluss der Aktiven und Passiven, auf Fritz Gettert über. Die dort lagernden Rohstoffe, Halb-und Fertigerzeugnisse, Modelle und Werkzeuge wurden von der Frankenthaler Turngeräte- und Schulbankfabrik C. H. Pfeifer übernommen.

 

Am 22. Juni 1936 zog Jakob Weil von Frankenthal zu seinem Schwiegersohn Jakob Marxsohn nach Mainz und emigrierte im Juni 1939 über die Schweiz in die USA, wo er am 15. April 1955 in Brookline, MA, USA, starb. Seine Angehörigen leben heute in Frankreich und den USA.

 

Viktor Weil zog mit seiner Ehefrau am 4. November 1938 von Frankenthal in das nahe Ludwigshafen. Er kam am 22. Oktober 1940 in das Deportationslager Gurs, wo das Leben seiner Gemahlin Emma am 16. November 1940 endete, während Viktor Weil am 12. Januar 1942 im Deportationslager Récébédou starb.

 

 

Josef Weil mit seinem Neffen Harry Wertheimer im Jahr 1945

Josef Weil zog mit seiner Ehefrau 1939 in die Nachbarstadt Ludwigshafen.

 

Von dort wurden sie am 22. Oktober 1940 ins Deportationslager Gurs verschleppt. Die Ehefrau schloss am 28. Januar 1942 im Deportationslager Récébédou für immer die Augen.

 

 

 

Josef Weil überlebte, weil er den eisernen Willen hatte, noch einmal seine Heimatstadt zu sehen, und so kehrte er nach Frankenthal zurück.

drei Atelierfotos von Josef Weil aus dem Jahre 1945

Josef Weil betrieb nun alleine das Einrichtungshaus

A. Weil.

 

Kurz nach Vollendung seines 80. Geburtstages starb er am 21. September 1953 in Mannheim.

 

Er wurde auf dem neuen Jüdischen Friedhof in Frankenthal neben seinem Sohn Fritzl bestattet.

Grabmal von Josef Weil
Die drei Stolpersteine für die Familienmitglieder Weil

Für Viktor Weil und dessen Ehefrau Emma sowie für Elisabeth Weil, Ehefrau von Josef Weil, wurden am 12. April 2005 auf dem Gehweg vor dem Anwesen Eisenbahnstraße 20 Stolpersteine gesetzt.

Das Haus Eisenbahnstraße 20 mit den Stolpersteinen auf dem Gehweg.