Die 12 Kinder von Isaac und Isabella Schweitzer

Familie Schweitzer im Jahr 1900 mit 9 der 12 Kinder (von links nach rechts): Fred, Karl, Max (sitzend), Isabella und Isaac (stehend), Selma, Anna (stehend), Lucie (sitzend), Hortense, Hugo (stehend), Heiner. Es fehlen Julie, Eugen sowie Miriam.

 

 

11 Kinder von Isaac und Isabell Schweitzer wurden in Frankenthal geboren und wuchsen hier auf

 

Miriam, das erste Kind, wurde in Philadelphia um den 23. Juni 1876 geboren. Diese Information fand Peter Schweitzer am 27. April 2014 bei der Abschrift eines alten Briefes von Isaac. Miriam starb dort am 8. September 1876 im Alter von 11 Wochen und wurde am 11. September 1876 beerdigt. Isabella musste das Kind allein beerdigen, denn Isaac befand sich auf der Schiffsreise mit dem Dampfer Donau via Southampton nach Bremen.

 

Am  22. August 1876 schrieb Isaac an Bord einen Brief an seine Ehefrau Isabella: "Ich hoffe Dir, dem Baby und all den Leuten geht es gut und ich hoffe, dass es unserer kleinen Miriam so gut geht, wie ich es erlebt habe. Ich möchte so gerne ihr Lächeln sehen und auch Deines. Ich hoffe sie genießt das Baden und ihr Darm ist in Ordnung."

 

Später beschreibt er detailliert seine Reise und die Mitreisenden, von denen etliche in den USA ihr Glück gemacht hatten und nun wieder zurück nach Europa gingen. In einem späteren Brief vom November 1876 schreibt Isaac aus Frankenthal, wo er die Verkaufsverhandlung für ein geeignetes Geschäft schildert.

 

Julie, geboren am 16. März 1878, heiratete in Frankenthal am 19. August 1897 den Kaufmann (Simon) Sally Rosenthal, geboren am 19. Februar 1872 in Oestrich-Winkel. Er war Inhaber eines Textilgeschäfts in Bingen, wo die Familie wohnte. Als Soldat schwer verwundet verstarb er am 4. September 1917 im Reserve-Lazarett Berlin-Charlottenburg.

 

Julie und Sally hatte zwei Kinder: Erich, geboren am 17. Oktober 1898, starb am 2. Februar 1924 in Bingen. Walter Julius, am 24. Oktober 1902 geboren, emigrierte mit seiner Mutter Julie am 30. Oktober 1938 in die USA.

 

Familienfoto: (hintere Reihe) Carl, Anna, Bernhard Levy, Charlotte, Hugo (vorne sitzend) Heiner, Julie, Sema Levy und Tesy.

 

Karl (er unterschrieb mit Carl), geboren am 11. Mai 1879, übernahm 1905 von Mutter Isabella und Schwager Benni Ullmann die Geschäftsführung des Warenhauses Schweitzer & Wertheimer. Er war Soldat vom 1. Juli 1915 bis 20. November 1918. Am 9. August 1926 heiratete er in Mannheim Therese Paul, geboren am 25. November 1902. Sie war Katholikin.

 

Das Ehepaar lebte ab dem 23. April 1928 in dem Obergeschoss ihres Kaufhauses "Schweitzer & Wertheimer". Der Sohn Hans Max wurde am 30. Juli 1928 in Mannheim geboren.

 

Nach der Pogromnacht verhafteten die Nationalsozialisten Carl Schweitzer am 10. November 1938. Über das Landgerichtsgefängnis Frankenthal kam er in das KZ Dachau. Im Dezember 1938 wude er wieder entlassen.

 

Das Ehepaar und Sohn Hans durften nicht mehr in ihrer Frankenthaler Wohnung wohnen. Sie fanden Unterschlupf bei den Eltern von Therese – dem Kunstmaler Heinrich Paul und Anna, geborene Schuhmacher – in Mannheim.

 

Hans war als Sohn einer Katholikin nach jüdischem Gesetz kein Jude. Aufgrund der "Nürnberger Rassegesetze" galt er als "Halbjude". Hans wurde zur Arbeit bei der Organisation Todt zum Bau des Westwalls zwangsverpflichtet. Er lebt heute in New Jersey (USA).

 

Carl starb - vermutlich an den Folgen der KZ-Haft - am 1. Oktober 1946 in Mannheim und ist dort auf dem jüdischen Friedhof begraben.

 

Grabstein von Hortense Ullmann

Hortense, geboren am 7. Juni 1880, heiratete am 10. Oktober 1901 den Kaufmann Benjamin (Bennie) Ullmann, geboren am 26. Juli 1863 in Carlsberg, gestorben in Berlin am 8. Februar 1929. Gemeinsam mit Schwiegermutter Isabella führte er vom 1. Mai 1901 bis 15. Februar 1905 das Kaufhaus Schweitzer & Wertheimer.

 

Das einzige Kind von Benni und Hortense Ullmann war Gertrud Else, geboren am 7. Februar 1903 in Frankenthal. Die Ehe wurde - durch Urteil der 3. ZivilKammer Frankenthal vom 24. Januar 1910 - geschieden. Am 20. Oktober 1919 starb Hortense in Frankenthal. Sie wurde auf dem neuen jüdischen Friedhof von Frankenthal begraben.

 

Die Tochter von Hortense, Gertrud Else (Trude genannt) heiratete 1939 in New Orleans Walter Rosenthal. In den späten 1930er Jahren waren beide separat in die USA emigriert. Gertrud stand ein Teil des Erlöses aus dem Geschäftshausverkauf zu.

 

Der NS-Kreiswirtschaftsberater schreibt deswegen am 11. Juli 1939 an ihre Tante Anna:

 

"Für die Löschung der Hypothek, welche zugunsten von Gertrud Rosenthal, geb. Ullmann in New Orleans zu nom. 2.500 RM auf dem Objekt eingetragen war, sind 9,25 RM Löschungskosten entstanden, die nach dem Gesetz von dem Grundstückseigentümer getragen werden müssen. Ich habe Ihr Konto mit dem ausmachenden Betrag von 9,25 RM belastet. Ihr Restguthaben mindert sich demnach um diesen Betrag und beläuft sich jetzt noch auf 1.990,75 RM."

 

Selma Luise, geboren am 7. Oktober 1881, heiratete am 6. Juni 1907 in Frankenthal den Kaufmann Bernhard Levy, geboren am 22. Februar 1880 in Grau-Rheindorf (heute Bonn). Seine Eltern waren Amalie geborene Tobias und Moses Levy, "Handelsmann".

 

Direkt nach der Hochzeit erfolgte der Umzug nach Bonn, wo die drei Kinder geboren wurden.

 

Max Heinrich (Harry), geboren am 21. März 1908, war laut Aktenaussage ab 3. Oktober 1935 "auf Reisen".

 

Ellen Isabella, geboren am 16. Mai 1912, und ihr am 22. Juni 1913 geborener Bruder Julius Werner, emigrierten gemeinsam am 15. Juli 1933 nach Amsterdam, die Eltern Bernhard und Selma am 10. Juli 1936 nach Rio de Janeiro. Das weitere Schicksal der Familie ist unbekannt.

 

Brief des NS-Kreiswirtschaftsberater an Anna Schweitzer vom 11. Juli 1939 - Gertrude Rosenthal betreffend.
Hugo Schweitzer, fotografiert im Studio Salmon, Frankenthal.

Hugo, am 3. Dezember 1882 geboren, ging 1905 als Angestellter nach Berlin. Am 10. Oktober 1912 kehrte er zu den Eltern nach Frankenthal zurück. Er war Soldat im Ersten Weltkieg. Er wurde mehrmals verwundet und erhielt das "Eiserne Kreuz".

 

Um 1919 heiratete Hugo Schweitzer Charlotte Fürstenheim, geboren am 21. Oktober 1894 in Berlin. Sie diente im Ersten Weltkrieg als Krankenschwester.

 

An ihrem Geburtstag, dem 21. Oktober 1920, war die Geburt ihrer Zwillinge Ulrich und Isabel in Berlin. Als Schüler besuchte Ulrich das Goethe Gymnasium und Isabel war am Hohenzollern Lyceum. Hugos Sohn Ulrich emigrierte am 19. März 1937 nach New York.

 

Hugo kam nach dem 9. November 1938 in das KZ Sachsenhausen. Nach seiner Entlassung aus dem KZ, kabelte er am 28. November 1938 nach New York: „HABE ALLE LIEBEN WIEDER WOHL ANGETROFFEN – HUGO“.

 

Am 5. Juni 1939 emigrierten Hugo Schweitzer, seine Frau Charlotte und Tochter Isabel nach England. Nach Charlottes Tod  am 29. Januar 1945, wanderten Hugo und Tochter Isabel nach New York aus. Die Ankunft war am 27. Mai 1946. Hugo starb dort am 31. Juli 1950.

 

Annas Brief vom 21. Juli 1939, wenige Tage vor der Abreise

Anna Sofie, am 10. November 1884 geboren, wohnte gemeinsam mit Schwester Lucie im zweiten Stock des Geschäftshauses.

 

Anna führte die Verkaufsabwicklung des Kaufhauses Schweitzer & Wertheimer an das Bayerische Schokoladenhaus durch. Der Verkaufserlös diente zum Teil für Ihre "Auswanderung".

 

Am 22. Juli 1939 meldete sie sich in Frankenthal ab und emigrierte mit dem HAPAG Dampfer "Hansa" am 27. Juli 1939 von Hamburg nach New York.

 

1.900 RM wurden ihr als Ausgleichsabgabe für die Mitnahme der Möbel abverlangt, zusätzlich waren 4.600 RM Vermögensabgabe fällig und zahlreiche weitere Gebühren, Steuern und Abgaben.

 

In New York arbeitete sie als Köchin und verstarb dort am 21. November 1975.

 

Eintrag des Todes von Eugen im Standesamtsbuch.

Eugen, geboren am 30. April 1886, verstarb im Alter von sieben Monaten am 1. Dezember 1886. Erhalten ist auf dem alten jüdischen Friedhof seine runde Namensplatte auf dem Kopfteil des Grabsteins der Esther Lurch. Da diese erst 1896 verstarb, kann die Namensplakette erst Jahre später dort angebracht worden sein. Vermutlich befand sich sein Grab auf der zerstörten, rechten Seite.

Grab-Namensplakette auf dem alten jüdischen Friedhof von Frankenthal

Josef Siegfried, genannt Fred, geboren am 3. August 1887, heiratete 1916 in Frankfurt die dort um 1888 geborene Therese Dessauer. In Frankfurt wurden auch die zwei Söhne geboren: Paul um 1916 und Rolf um 1918.

 

Ersichtlich ist aus einem Schriftstück des NS-Kreiswirtschaftsberaters vom 3. Juni 1939, dass Siegfried Schweitzer bereits nach London ausgewandert war aber seine Frau noch in Frankfurt wohnte.

 

Therese emigrierte zu ihrem Mann. Beide wohnten in London NW 11, Montpellier Rise 15. Am 9. März 1940 emigrierten beide mit dem britischen Passagierschiff SS Lancastria von Liverpool über Halifax nach New York.

 

Anzeige vom Februar 1919, dass sich Dr. Heinrich Schweitzer - drei Monate nach seiner Entlassung aus dem Militärdienst - als Zahnarzt in Frankenthal niederlässt. Die Praxis am Marktplatz 10 lag schräg gegenüber vom Kaufhaus Schweitzer & Wertheimer.

Heinrich Isidor Dr., geboren am 14. August 1892, war praktischer Zahnarzt und vom 17. November 1916 bis 17. November 1918 Soldat.

 

Er heiratete am 2. Sep- tember 1924 in Nürnberg Klara Schloss, geboren am 28. November 1903 in Schweinfurt. Ihre Eltern waren der Kaufmann Fritz Schloss und Bertha geborene Guggen- heimer aus Nürnberg.

 

Bereits am 19. August 1924 kam Klara nach Frankenthal. Bis zum 12. Dezember 1926 hatte das Ehepaar eine Wohnung mit Zahnarztpraxis in Frankenthal, Marktplatz 10, nur wenige Schritte vom Kaufhaus entfernt.

 

Von dort verzog das Ehepaar nach Mainz, in die Kaiserstraße 31 und später nach Berlin. Heinrich hatte in beiden Städten eine gut gehende Zahnarztpraxis.

 

Am 7. Juni 1939 emigrierte das Ehepaar von Berlin nach London, von dort verzogen sie in das Umland von Manchester. Heinrich hatte auch dort eine Zahnarztpraxis. Das Paar hatte keine Kinder.

 

Heinrich verstarb am 10. August 1967 in der Schweiz während einer Urlaubsreise. Seine Frau Klara starb am 3. Dezember 1976 in einem englischen Altenheim. Sie und ihr Ehemann sind in England bestattet.

Maximilian Hartwig, Max genannt, geboren am 5. Januar 1894, fiel als Kriegsfreiwilliger bereits nach wenigen Tagen, am 5. November 1914 bei Oostaverne in Belgien.

 

In der "Ehrentafel III" der Monatsschrift des Frankenthaler Altertums Vereins vom März 1915 ist Max als Nummer 39 aufgeführt: Maximilian Schweitzer, "Kaufmann" Infantrist beim 18. Inf. Reg., 6. Komp., gefallen am 5. Nov. in den Kämpfen bei Hollebecke.

 

1936 unterschlug die NS-Stadtverwaltung, bei dem Denkmal für die 653 Gefallenen des Ersten Weltkriegs, die drei jüdischen Gefallenen. 1999 entdeckten Schülerinnen und Schüler des Karolinen-Gymnasiums in Frankenthal diese Missachtung. Eine Zusatztafel erinnert seit 1999 an diese drei jüdischen Soldaten.

12. Lucie (Lucia), Boba genannt, wurde am 2. November 1897 geboren.

Gemeinsam wohnte sie mit ihrer Schwester Anna im zweiten Stock des Geschäftshauses.

Laut ihrer Einwohner-Meldekarte wohnte sie wohl mehrfach für einige Zeit bei ihrer Schwester Selma in Bonn und Bruder Fred in Frankfurt.

Eintragung in der Einwohner-Meldekartei: „weggezogen nach Bonn am 12.2.1920, zugezogen von Frankfurt a.M. am 19.7.1920, weg nach Bonn am 23.3.1921, weggezogen nach Philadelphia, USA am 16.2.1937“.

Nach der Emigration in die USA arbeitete sie als Kindermädchen. Am 4. Januar 1982 verstarb sie in New York.

Einwohnermeldekartei von Lucie Schweitzer