Die Ausplünderung des Reichsfinanzministerium

 

Mit deutscher Gründlichkeit gingen die Beamten des Reichsfinanzministeriums zu Werke. Wie deportierte Juden systematisch enteignet wurden, das erforscht derzeit eine internationale Historikerkommission: Eingesetzt vom Bundesfinanzministerium, das endlich seine eigenen Verstrickungen im Dritten Reich aufarbeiten will – wie es auch bereits das Auswärtige Amt getan hat.

 

Die Reichsfinanzverwaltung stellte sich früh in den Dienst des verbrecherischen Regimes. Denn das brauchte große Summen für die Aufrüstung der Wehrmacht. Grobe Schätzungen der Historiker gehen davon aus, dass die Beutezüge der Finanzbeamten bei Juden und sogenannten "Reichsfeinden" wie politisch missliebigen Personen etwa 119 Milliarden Reichsmark einbrachten: Rund ein Drittel dessen, was die Wehrmacht verschlang. Eigene Stäbe im Ministerium trugen ihren Teil bei im großen Prozess der Ausplünderung und der Vernichtung: Die Beamten suchten die Wohnungen deportierter Juden auf und konfiszierten, was immer sie fanden. Die zynische Vorschrift: Vor ihrer Deportation mussten Juden selbst sogenannte Vermögenslisten ausfüllen. Die Überbleibsel bürgerlicher Existenzen – Wohnungen und Konten – wurden dem Reichsvermögen einverleibt. Und bei öffentlichen Versteigerungen konnten Bürger gleich mitbieten. Die Termine wurden vorab in der Lokalpresse bekannt gegeben. Und die "Volksgenossen" kamen scharenweise, standen Schlange.

 

Die Historikerin Christiane Kuller spricht von einer Schnäppchenjagd und bewertet das im ZDF-Magazin Frontal21 so: "Das sind einfachste Kleidungsstücke, die da geraubt wurden. Auch das ist ganz bürokratisch, systematisch durchgeführt worden. Es ging nicht nur um den Wert dieser Vermögen. Es ging auch ums Prinzip: Juden sollten ausgeplündert werden - ob arm oder reich." Nicht nur vermögende Juden also gerieten ins Visier. Von jedem nahm das Ministerium, was es kriegen konnte. Und wenn es nur ein paar Briefmarken waren. Deutsche Ordnung hatte niemals so widerwärtige Ausprägungen wie im Dritten Reich.

 

Ebenso perfide agierte die deutsche Steuerverwaltung bereits seit 1934. Systematisch wurden jüdische Steuerbürger diskriminiert, denn die Gesetzgebung sah vor, dass Juden den Spitzensteuersatz zahlten. Übliche Vergünstigungen für Familien galten für sie nicht. Und die "Reichsfluchtsteuer" – Instrument gegen den Wegzug Vermögender - wurde gezielt gegen Juden eingesetzt.

 

Auch wenn die Historiker längst nicht am Ende ihrer Recherchen sind: Anhand der Geschichte der Finanzverwaltung wird mal wieder deutlich, dass nicht stimmen kann, dass in Deutschland kaum einer etwas mitbekam von der Judenvernichtung: In öffentlichen Versteigerungen wurden Hinterlassenschaften verscherbelt. Scharen von Kontrolleuren und Beamten zogen durch verlassene Wohnungen, um jüdische Vermögen zu katalogisieren und zu verwerten. Die deutsche Ahnungslosigkeit ist eine Lebenslüge.

 

ZDF 29. November 2011