Familie Blumenstiel

     

Anzeige im Adressbuch von 1898/99

Familie Martin Blumenstiel

 

Martin Blumenstiel, am 24. Oktober 1838 in Kirrweiler (Pfalz) geboren, heiratete am 28. August 1862 Amalie Lorch, die am 13. Oktober 1833 in Heuchelheim bei Frankenthal geboren wurde. Anfangs wohnte das Paar in Kirrweiler, wo die beiden Söhne Alexander am 6. Juli 1863 und Moses am 20. Juli 1866 zur Welt gekommen waren. Danach verzog die Familie nach Heuchelheim. In dem Dorf bei Frankenthal wurden die Söhne Markus (auch Max) am 3. November 1868, und Adolf am 12. April 1870 geboren.

 

Am 25. Juni 1875 eröffnete Martin Blumenstiel in der Sterngasse ein Spezerei-Geschäft, das er nach ein paar Monaten in die Speyerer Straße verlegte. Im Mai 1876 kamen zu den Spezerei-Waren ein "aussortiertes" Lager von Kurzwaren und Schuhen hinzu. Das Schuhwarenlager gab man im Frühjahr 1883 wieder auf. Das Geschäft wurde inzwischen im Wohnhaus der Familie in die Mühlstraße 11 betrieben. Ein paar Monate später brach ein Feuer aus. Das Wohnhaus wurde danach wieder aufgebaut, aber Martin Blumenstiel hatte sich damit finanziell übernommen. Er bot dieses erfolglos im Oktober 1884 zur Versteigerung an. Die Geschäfte liefen weiterhin schlecht und Martin Blumenstiel musste Konkurs anmelden. Das Wohnhaus in der Mühlstraße 11, das zur Konkursmasse gehörte, erwarb am 22. Januar 1890 der Geschäftsagent Max Blum zum Preise von 11.500 Mark.

 

Die Ehefrau starb am 27. August 1899. Martin Blumenstiel, der inzwischen in der Schnurgasse 22 wohnte, starb am 12. Dezember 1921.

 

Familie Alexander Blumenstiel

 

Alexander Blumenstiel heiratete Blondina Mayer, die am 17. Februar 1865 in Böchingen das Licht der Welt erblickt hatte. Die Familie wohnte in Frankfurt am Main. Als Alexander Blumenstiel geisteskrank wurde, kam er in verschiedene Heilanstalten. Er starb am 15. November 1940 in der Landes-Heil- und Pflegeanstalt in Eichberg/Rheingau. Seine Witwe wurde am 15. September 1942 von Frankfurt ins KZ Theresienstadt deportiert, wo am 29. Januar 1943 ihr Leben endete.

 

Familie Adolf Blumenstiel

 

Adolf Blumenstiel heiratete am 14. Oktober 1903 Theresia Bloch und wohnte nach der Heirat in Mainz. Dort war er als Korkstopfenfabrikant tätig. Er wurde mit seiner Ehefrau am 27. September 1942 von Darmstadt aus in das KZ Theresienstadt deportiert. Dort endete sein Leben am 11. Dezember 1942 und das seiner Ehefrau am 31. Oktober 1943.

 

Familien Markus und Moses Blumenstiel

 

Moses und Markus Blumenstiel gründeten im April 1894 als offene Handelsgesellschaft die Firma Gebr. Blumenstiel, ein Manufaktur- und Konfektionsgeschäft. Es befand sich ab 13. Februar 1896 in der Speyerer Straße 18 und wurde ab dem 31. Januar 1901 in der Speyerer Straße 34 betrieben.

 

Markus Blumenstiel heiratete am 23. Oktober 1900 in Mannheim Frieda Ottenheimer, die dort am 19. Juli 1874 geboren wurde. In Frankenthal kamen am 29. November 1901 Sohn Ludwig und am 29. Juli 1903 der zweite Sohn Kurt Leopold zur Welt. Als am 23. September 1926 in Frankenthal der Ehemann und Vater starb, trat dessen Witwe in die Gesellschaft ein und führte mit dem Schwager Moses Blumenstiel das Geschäft weiter. Die ledige Schwester von Frieda, Henriette, die am 20. November 1878 in Mannheim geboren wurde, zog am 5. März 1916 in Frankenthal zu.                                  

Moses Blumenstiel heiratete am 9. November 1899 in Mannheim Sidonie Levi, die am 21. November 1872 in Ludwigsburg zur Welt gekommen war. In Frankenthal kamen am 20 Februar 1901 die Tochter Elise Amalie (auch Alice) und am 4. Dezember 1902 der Sohn Herbert zur Welt.

 

Die Tochter von Moses und Sidonie Blumenstiel, Elise Amalie heiratete am 20. Juli 1922 in Frankenthal den Kaufmann Arthur Horwitz, geboren am 5. März 1887 in Nürnberg, wohin das Paar mit Bruder/Schwager Herbert verzog. Ihre Mutter Sidonie verstarb am 25. April 1928 in Frankenthal.

 

Die Damenkonfektions-Abteilung, die man 19. September 1900 eröffnete, wurde im Laufe der Zeit aufgegeben. Man spezialisierte sich auf reine Herrenkonfektion, die auch die gehobenen Ansprüche zufrieden stellten sollte.

 

Am 1. Juli 1932 traten die beiden Gesellschafter aus der Firma aus und übergaben das Geschäft an den Sohn bzw. Neffen Kurt Blumenstiel. Er führte es unter unverändertem Namen mit dem Zusatz Inh. Kurt Blumenstiel weiter. Im Zuge der Pogrom-Ereignisse vom 10. November 1938 wurde das Geschäft geschlossen und im Wege der Arisierung im Frühjahr 1939 von Kaufmann Heinrich Herb aus Bobenheim übernommen, ebenso das Warenlager, das sich in der Adolf-Hitler-Straße 1 (Bahnhofstraße) befunden hatte (Bayerisches Schokoladenhaus / Kaufhaus Schweitzer & Wertheimer). Die Firma Gebr. Blumenstiel wurde am 22. April 1941 von Amts wegen im Handelsregister gelöscht.

 

Moses Blumenstiel wurde nach dem Tode von David Loeb (22. März 1914) Mitglied des Synagogenrates. Bei der Wahl am 30. Mai 1912 hatte er als einer der beiden Ersatzleute die meisten Stimmen erhalten. Danach wurde er immer wieder in den Synagogenrat gewählt. Nach dem Wegzug von Philipp Adler aus Frankenthal im November 1935 wurde er 1. Vorsitzender und blieb es bis zu seinem Wegzug im November 1938. Er zog zu seiner Tochter nach Stuttgart.

 

Seine Ehefrau war Vorsitzende des Israelitischen Frauenvereins. Moses Blumenstiel, der dem Gutachterausschuss des Stadtrates angehörte, hatte seine politische Heimat bei der Deutschen Demokratischen Partei. Als ihm unterstellt wurde, mit den Separatisten in irgendwelchen Beziehungen gestanden zu haben, wehrte er sich mit einer Warnung in der Frankenthaler Zeitung vom 5. Juli 1930, "gegen jeden derartigen verleumderischen Ehrabschneider unnachsichtig strafgerichtlich vorzugehen."

 

Die Ehe der Tochter Elise Amalie von Moses Blumenstiel war 1934 rechtskräftig geschieden worden. Sie zog 1935 mit ihren beiden Töchtern Ruth Lina, geboren am 9. Dezember 1923 in Frankenthal und Margot Sidonie, geboren am 14. September 1929 in Nürnberg, zuerst von Nürnberg nach Schwäbisch Hall. Dort arbeitete sie als Verkäuferin bei der Firma Maute. Im März 1936 musste das Geschäft schließen, da die Kunden wegen des Judenboykotts ausblieben. Außerdem war ihrer Tochter Ruth Lina verwehrt worden, die höhere Schule zu besuchen. Deshalb zog sie mit ihren beiden Töchtern nach Stuttgart in die Rosenstraße 35. Sie arbeitete als Fürsorgerin bei der Jüdischen Gemeinde, danach bei der jüdischen Verwaltung, die sich Mittelstelle nannte. Im November 1938 holte sie ihren Vater zu sich und im Februar 1939 kam noch Henriette Ottenheimer hinzu. Diese angeheiratete Tante hatte in Frankenthal bei ihrer Schwester Frieda, der Witwe von Markus Blumenstiel, gewohnt.

 

Frieda Blumenstiels Sohn Ludwig war schon 1924 von Frankenthal nach Mannheim verzogen und emigrierte im November 1933 nach Brüssel. Dort wurde er inhaftiert und kam in verschiedene Lager in Frankreich. Von Lissabon aus konnte er mit dem Schiff "Excalibur" in die USA emigrieren. In New York kam er am 16. Dezember 1941 mit seiner am 18. Januar 1912 in Mainz geborenen Ehefrau Edith geborene Bloch an. Er lebte in New York und nannte sich in den USA Louis Bloom.

 

Sein Bruder Kurt Leopold war am 10. November 1938 ins Gefängnis Frankenthal und von dort ins KZ Dachau gekommen, wo er ca. sechs Wochen blieb. Im April 1939 flüchtete er nach Brüssel und von dort in die USA, wo er in New York wohnte. Er heiratete Martha Baum, geboren am 4. Juni 1916 in Nürnberg, die am 22. Juni 1973 in New York starb. Sein Leben endete am 9. November 1981 in New York.

 

Moses Blumenstiel und Henriette Ottenheimer kamen nach Herrlingen bei Ulm in das so genannte "Jüdische Altersheim", was allerdings ein Sammellager war. Von dort musste Moses Blumenstiel in ein anderes "Altersheim" nach Oberstotzingen umziehen. Seiner Tochter Elise Amalie Horwitz war es gelungen, die 15-jährige Tochter Ruth Lina am 25. August 1939 mit einem Kindertransport nach England zu schicken. Sie wohnte mit der Tochter Margot Sidonie zwischenzeitlich bei der Jüdischen Gemeinde in der Hospitalstraße 36. Im August 1942 trafen sie auf dem Killesberg wieder auf den Vater/Großvater. Die Deportation ins KZ Theresienstadt erfolgte am 22. August 1942. Einen Monat später, am 25. September 1942 war Moses Blumenstiel tot. Henriette Ottenheimer musste den "Weg des Todes" alleine gehen. Sie wurde am 26. April 1942 mit etwa 300 weiteren Menschen nach Izbica bei Lublin deportiert. Keiner der dorthin Deportierten hat überlebt.

 

Elise Amalie Horwitz sorgte im KZ Theresienstadt über zwei Jahre lang unermüdlich für die Kranken. Mit dem 5. Transport kam sie am 23. August 1944 ins KZ Auschwitz. Dieser Transport brachte vor allem kranke Menschen in das Vernichtungslager. Darunter war auch die Tochter Margot Sidonie, deshalb meldete sich die Mutter freiwillig zu diesem Transport.

 

Elise Amalies Tochter Ruth Lina, die den Beruf der Kinderkrankenschwester erlernt hatte, heiratete im September 1945 den 26-jährigen Army Captain Herbert Foster aus Yorkshire, der im Zivilberuf Buchhalter war. Im März 1949 kommt beider Tochter Gillian Alice zur Welt. Sie wohnten bis 1978 in Kingston/Surrey. Dann verliert sich ihre Spur.

Der von Elise Amalie Horwitz geschiedene Ehemann Arthur starb am 29. Januar 1960 in New York.

Herbert Blumenstiel, der Bruder von Elise Amalie Horwitz, lebte nach dem 2. Weltkrieg in London.