Das Massaker von Oradour-sur-Glane

am 10. Juni 1944

Menschen auf der Hauptstraße in Oradour-sur-Glane.

Der kleine französische Ort Oradour-sur-Glane, 22 Kilometer nordwestlich der Stadt Limoges gelegen, war bis zum 10. Juni 1944 von den Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges kaum berührt. Wären da nicht ein paar vor den deutschen Besatzern geflüchtete Juden und Evakuierte aus den vom Krieg betroffenen Teilen Frankreichs gewesen, hätte man sich auf einen ruhigen Sommer vorbereiten können, mit ein paar Fremden in den zwei Hotels und den wenigen privaten Pensionen des Ortes.

In den Mittagstunden des 10. Juni 1944, gegen 14 Uhr, kamen 150 Mann der SS-Division "Das Reich" in Oradour an und umstellten den Ort. Kaum eine Stunde später trieben die SS-Leute alle Einwohner auf dem Marktplatz zusammen.

Die Häuser waren weitgehend leer. Nur wenige Einwohner konnten sich verstecken, unter ihnen drei Kinder einer jüdischen Familie, die in Oradour Zuflucht gefunden hatten, Jaqueline Pinede, ihre Schwester Francine und ihr Bruder Andre, sowie der siebenjährige Roger Godfrin. Er war der einzige Schüler von Oradour, der das Massaker überlebte.


In wenigen Stunden wurden alle Häuser und die Kirche von Oradour-sur-Glane niedergebrannt. Der Ort wurde nicht wieder aufgebaut.

Wer zu krank war, um auf den Marktplatz zu gehen, wurde gleich in seinem Haus erschossen. Eine Stunde lang mussten die Bewohner auf dem Marktplatz stehen, dann wurden die Frauen und Kinder von den Männern getrennt und in die Kirche weggeführt.

Die Männer wurden in mehrere Scheunen getrieben, dann eröffneten die SS-Männer das Feuer. Nicht alle waren gleich tot. Viele starben erst in den Flammen, nachdem die Soldaten Stroh und Reisig auf die Leichenberge getürmt und diese angezündet hatten. In einer Scheune überlebten sechs Männer das Massaker und konnten fliehen. Doch der Erste rannte zu früh ins Freie und wurde von den SS-Männern an der Friedhofsmauer erschossen, wo man ihn am nächsten Tag fand.


Einer der fünf davongekommenen, Robert Hebras, erzählte später:

 

"Mein linker Arm und meine Haare haben schon gebrannt. Es war ein furchtbarer Schmerz, deshalb musste ich aus der Scheune hinaus . . . Dann haben wir uns in der Scheune dahinter versteckt. Da kamen zwei SS-Leute herein. Einer stieg auf eine Leiter und hat das Stroh dort mit Streichhölzern angesteckt . . . Wir sind dann aus der brennenden Scheune in die nächste gekrochen. Es gelang uns aber nicht, aus dem Ort hinauszukommen. Wir haben uns dort in Kaninchenställen verborgen. Auch die begannen schließlich zu brennen. Ungefähr um sieben Uhr abends haben wir uns hinausgewagt . . . Ich bin dann weitergelaufen in Richtung Friedhof und von dort in die Felder. Sie haben mich nicht entdeckt. Von dort sah ich, dass alle Häuser in Flammen standen. Ganz Oradour brannte."

 

In die Kirche, in der die Frauen mit den Kindern eingeschlossen waren, trugen die SS-Männer eine Kiste, die offensichtlich eine Gasbombe enthielt. Beißender, stechender Rauch verbreitete sich nach der Explosion. Dann feuerten die SS-Männer von der Kirchentür aus mit Maschinengewehren in die Menge und warfen Handgranaten.

Nur eine Frau konnte sich von all den Frauen und Kindern Oradours, die man in der Kirche zusammengetrieben hatte, retten, die 47-jährige Bäuerin Marguerite Rouffanche. Bei ihrer Vernehmung vor einem französischen Untersuchungsrichter sagte sie am 13. November 1944:

In der glühenden Hitze verschmolzen Steine mit Metall und den toten Menschen.

"Eineinhalb Stunden blieben wir voller Angst in der Kirche und warteten auf das Schicksal, das man uns bereitete. Ich hatte meine beiden Töchter und den sieben Monate alten Guy bei mir. Neben mir schlief meine fünfjährige kleine Nichte ein . . .
Nach eineinhalb Stunden öffneten die Deutschen die Tür. Zwei bewaffnete Deutsche trieben die Frauen und Kinder auseinander, um zwischen ihnen hindurchgehen zu können. Sie stellten eine etwa 80 Zentimeter lange Kiste vor dem Altar am Ende des Kirchenschiffes auf . . . Kurz danach gingen die Deutschen wieder hinaus, ohne ein Wort gesagt zu haben. Einige Augenblicke später ging von der Kiste eine kleine Explosion aus. Schwarzer, beißender und stechender Rauch kam heraus, der die ganze Kirche durchzog. Die Menschen bekamen Erstickungsanfälle . . . Ich flüchtete mit meinen zwei Töchtern und dem Enkelkind in die Sakristei. Da begannen die Deutschen, Feuerstöße in die Fenster der Sakristei abzugeben. Meine jüngste Tochter Andree wurde neben mir durch Kugeln getötet, die ihre Halsschlagader durchschlagen hatten."

Marguerite Rouffanche gelang es, nachdem die Kirche in Brand gesetzt worden war, durch ein Fenster zu flüchten. Bei ihrer Einvernahme schilderte sie die bangen Minuten:

"Als ich die Flammen sah, lief ich aus der Sakristei und versuchte, hinter dem heiligen Altar Schutz zu finden. Ich nahm den Gebetsschemel, der beim Gottesdienst verwendet wird, und stieg darauf, um das Fenster zu erreichen. Von dort sprang ich hinunter . . . Hinter mir erschien Madame Joyeux am Fenster und wollte mir ihr sieben Monate altes Baby reichen. Ich konnte es aber nicht fassen. Dann wurde geschossen, und in diesem Moment scheint Madame Joyeux getötet worden zu sein . . . Von da aus flüchtete ich sofort in das Erbsenbeet des nahe gelegenen Gartens. Als ich mich in das Erbsenbeet fallen ließ, wurde ich mit einem Maschinengewehr beschossen. Fünf Kugeln trafen mich an den Beinen und an der Schulter. Das Schulterblatt wurde mir zerschmettert. Ich war zwischen die Stangen des Erbsenbeetes gefallen. Dort blieb ich liegen bis zum Sonntag, den 11. Juni, 16 bis 17 Uhr."

Die Leichen von Madame Joyeux und ihrem Baby waren unter den wenigen, die nach den Massakern von Oradour identifiziert werden konnten.

642 Menschen, darunter 240 Frauen und 213 Kinder, wurden an diesem Samstagnachmittag ermordet und verbrannt. Das älteste Opfer war die Witwe Marguerite Foussat, die zwei Monate später 91 Jahre alt geworden wäre. Das jüngste Opfer war der am 2. Juni 1944 geborene Yves Texier, der gerade einmal acht Tage alt geworden war. 20 der ermordeten Kinder waren nicht einmal ein Jahr alt, fünf Männer und sechs Frauen waren älter als 80 Jahre.

Die Deutschen hatten auf ihrer Seite (zunächst) einen Verwundeten: und zwar SS-Untersturmführer Gnug, der beim Einsturz des Kirchturms von einem Stein am Kopf getroffen wurde. Er erlag etwas später seiner Verletzung. In dem am 11. Juni 1944 von Standartenführer Stadler diktierten "Tagesbericht für den 10./11.6.1944" für das Panzergrenadier-Regiment 4 "Der Führer" heißt es bezüglich Oradour: "Ergebnisse: 548 Feindtote - 1 eigener Verwundeter".

Bevor die SS-Division das ganze Dorf in Brand steckte, wurde noch geplündert, was zu plündern war. Von Oradour blieben nur Ruinen übrig, wie auf den Tag genau zwei Jahre zuvor von der tschechischen Ortschaft Lidice, wo ebenfalls falsche Partisanenbeschuldigungen beziehungsweise die Rache auf das Attentat auf Heydrich für ein Massaker gesorgt hatten.

 

Der zerstörte Ort wurde nie wieder aufgebaut. Die Ruinen erinnern bis heute an das Massaker. In unmittelbarer Nachbarschaft entstand das neue Oradour-sur-Glane.

 

Gedenkstätte und Ausstellung

Es gab viele "Oradour-sur-Glane"

Eine Gedenkstätte mit Ausstellung erinnert heute in Ordaour-sur-Glane an die vielen Massaker, die von SS und Wehrmacht im besetzten Europa verübt wurden.

3.000 Kilometer von Oradour entfernt starben am selben Tag, dem 10. Juni 1944, im griechischen Dorf Distomon 218 Einwohner, die von Soldaten der 4. SS-Polizei-Panzer- grenadierdivision erschossen wurden, bevor ihr Dorf in Flammen aufging. Der älteste Mann war 86 Jahre alt. Das jüngste Baby war zwei Monate. Dem Ortspfarrer wurde der Kopf abgehackt.

 

Anschließen wurde Distomon in Brand gesetzt. Im Beinhaus des kleinen Ortes in Mittelgriechenland stehen heute in Fächern - nach griechischer Totensitte - die Schädel der 218 Opfer.

 

Kommandeur der Division war SS-Standartenführer Walter Harzer. Dieselbe Truppe hatte zwei Monate vorher den griechischen Ort Klissura eingeäschert und vorher 215 Menschen erschossen.

Solche Massaker an der Zivilbevölkerung geschahen überall, wo die Waffen-SS, aber auch die Wehrmacht Terror übte: Der holländische Ort Putten wurde - auch wieder als Vergeltungsaktion - auf Befehl des Luftwaffengenerals Friedrich Christiansen am 1. Oktober 1944 niedergebrannt. Die 660 Männer kamen in das Konzentrationslager Neuengamme. 540 von ihnen wurden dort ermordet.

Der italienische Ort Marzabotto südlich von Bologna war in der selben Zeit von der Panzeraufklärungsabteilung 16 der Panzer-Grenadier-Division "Reichsführer SS" neunzehn Tage lang Mordplatz für 1.830 Menschen gewesen.

Ein 92 jähriger Mann wurde ebenso erschossen wie ein 20 Tage altes Kind. In der Kapelle des Ortsteiles Cerpiano wurden 21 Kinder und 35 Frauen umgebracht, die Kapelle anschließend zerstört. Den Mordbefehl gab der SS-Sturmbannführer Walter Reeder.

Die 117. Jägerdivision ermordete im griechischen Dorf Kalavrita am 13. Dezember 1943 die 511 männlichen Einwohner. Der Ort wurde wie üblich in Brand gesteckt. Die Täter, Wehrmachtssoldaten, ließen sich vor den qualmenden Trümmern fotografieren.


Wieviele Dörfer in der Sowjetunion ausgelöscht worden sind, wo Wehrmacht und SS am grausamsten handelte ... ?

 

Es waren tausend Oradours.


Verbrannte Autos in der Werkstatt