Metzner und der Nationalsozialismus

 

Als er 1936 bei der Olympiade in Berlin an den Start ging, war Metzner bereits seit drei Jahren Mitglied der SS. Eingetreten ist er am 1. September 1933 mit der Mitgliedsnummer 244 740. Er war damals noch Student und befand sich in den klinischen Semestern. Über den Charakter und die Ziele des NS-Regimes konnten bei ihm zu diesem Zeitpunkt keine Zweifel bestehen. Systematisch und mit großer Brutalität hatten die Nationalsozialisten nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler acht Monate zuvor, die Weimarer Demokratie beseitigt, zahlreiche politische Gegner in "Schutzhaft" genommen und in Gefängnisse, in provisorische Internierungslager oder in die auf die Schnelle errichteten Konzentrationslager abtransportiert. Missliebige Bürgermeister mussten zurücktreten, Stadträte und Gemeindeverwaltungen wurden "gesäubert", die Vereine – auch alle Sportvereine ‑ "gleichgeschaltet", Parteien und Gewerkschaften verboten und eine totalitäre Einparteienherrschaft errichtet. Und nichts davon geschah im Geheimen. Wer wollte, konnte die Vorgänge Tag für Tag in den Tageszeitungen nachlesen.

 

Am 4. Juli 1937 beantragte Adolf Metzner auch die Aufnahme in die NSDAP. Der Antrag ist von Metzner eigenhändig unterschrieben und vom Ortsgruppenleiter der Ortsgruppe Frankenthal der NSDAP gegengezeichnet. Auf der Mitgliederkarteikarte von Metzner ist als Aufnahmedatum allerdings der 1. Mai 1937 verzeichnet, der Tag, an dem der Aufnahmestopp in die NSDAP offiziell endete. Dies überrascht auf den ersten Blick. Es ist allerdings bekannt, dass die Nationalsozialisten Anwärter, die bereits einer Gliederung der Partei angehörten oder auf deren Mitgliedschaft sie aus irgendeinem Grund besonderen Wert legten, häufig rückwirkend zum frühestmöglichen Zeitpunkt – und das war der 1. Mai 1937 – aufnahmen.

 

Bislang war unklar, warum Metzner in die SS und die NSDAP eingetreten ist. War es Opportunismus, weil er hoffte, es würde seiner sportlichen und beruflichen Karriere nutzen? Tat er es, weil Freunde und Kommilitonen möglicherweise ebenfalls Mitglied waren? Oder war es Überzeugung, weil er an die nationalsozialistische Ideologie glaubte? Mit letzter Gewissheit werden wir es wohl nie erfahren. Äußerungen und Formulierungen in Artikeln, die er zwischen 1931 und 1937 für die Zeitschrift "Der Athletik-Freund" geschrieben hat, machen aber deutlich, dass in seinem Denken durchaus eine gewisse Affinität zur NS-Ideologie und ihren rassistischen Grundlagen vorhanden war. Der "Athletik-Freund", den sein Bruder Emil Rudolf Metzner seit 1931 herausgab und der seit 1932 "Der Aktive" hieß, erschien in Frankenthal, war aber im ganzen Deutschen Reich verbreitet. Anfangs steht in Metzners Artikeln die Kritik an den Sportfunktionären im Vordergrund, denen er "Muckertum" und "Spießbürgertum" vorwarf. Der deutsche Sport, so schrieb er im Oktober 1932, sei "von der Bürokratie überwuchert" und könne sich daher nicht so entfalten, wie dies wünschenswert wäre.

 

Ähnliche Vorwürfe hatte Metzner auch in einem Artikel in der "Frankfurter Zeitung" erhoben, was dazu führte, dass der Deutsche Sportbund ihn für den Länderkampf gegen Frankreich "aus disziplinarischen Gründen" sperrte.

 

Seit 1933 ist die Annäherung an den Nationalsozialismus und seine Ideologie in Metzners Artikeln aber unübersehbar. Im April 1933 schreibt er in einem Artikel über die "Erneuerung des deutschen Sports": "Der Sport ist seinem Ursprung nach nordisch. Völkerpsychologisch betrachtet ist es klar, dass nur ein kämpferischer, aktiver, nordischer Menschenschlag den Sport schaffen konnte". Er fordert einen "wirklich deutschen Sport", der "im Nationalen" wurzeln und dessen Ideale "Kampf", "Kraft" und Schönheit" sein müssten. Im August 1933 kritisiert er die Jagd nach Rekorden als "Auswüchse des Liberalismus" und im September diffamiert er die schwarz-rot-goldene Flagge der Weimarer Republik als "Schwarz-Rot-Gelb", ganz so wie es die Nationalsozialisten seit Jahren getan hatten. Im Juniheft 1935 berichtet er über eine Fahrt nach Italien. Er lobt die Sportpolitik Mussolinis und spricht vom "Glanz des Faschismus", der allerdings nur in Norditalien erstrahle, "wo noch im Volkskörper germanische Blutströme sichtbar sind."

 

Noch deutlicher wird er im darauffolgenden Jahr in seinem dreiteiligen Bericht über die Olympiade in Berlin. Den farbigen US-Sprinter Williams nennt er den "pechschwarzen Nigger mit der stupiden Kopfform und den wulstig aufgeworfenen Lippen"; und der 800m-Läufer Woodruff ist "der baumlange Nigger mit den Siebenmeilenstiefeln, ein hochgeschossener athletischer Typ mit einem winzigen eiförmigen Kopf, in dem kaum genügend Hirn für das bisschen taktisches Denken Platz hat." Hitler, von dem die deutsche Olympiamannschaft nach Ende der Spiele in der Reichskanzlei empfangen wurde, bezeichnet er als "großen bescheidenen Mann", von dem alle "gefangen genommen" waren und "den man sofort gern haben musste."